Eltern-Regeln nach Trennung und Scheidung
Wenn Eltern sich trennen oder scheiden lassen hat dies immer auch unmittelbare Auswirkungen auf ihre Kinder. Es verändert sich dadurch nicht nur das gewohnte soziale Umfeld, sondern sie müssen sich auch emotional an die veränderte Situation anpassen. Manchen Kindern fällt dies relativ leicht und sie können sich, begleitet durch ihre Eltern,
Familie und Freunde, gut an die neue Familiensituation anpassen. Anderen Kindern fällt dies schwerer und sie zeigen deutliche Zeichen von Belastung.
Das psychische genauso wie das physische Wohlergehen, die Entwicklung des Kindes, sowie das soziale Umfeld sind durch die veränderte Lebenssituation betroffen. Wie, in welchem Umfang und in welchen Lebensbereichen das Kind Belastungssymptome zeigt kann variieren.
Um das Wohl ihres Kindes auch während Trennung und Scheidung zu garantieren braucht es Rücksichtnahme und Fürsorge, auch da sich das Kind mitten in der Persönlichkeitsentwicklung befindet. Es sollte daher nicht nur von externen Helfern, sondern auch durch die Eltern ein spezieller Fokus auf das Wohl des Kindes gelegt werden.
Klare Eltern- Regeln, auf die sich Eltern einigen, können dabei unterstützen, das Wohl des Kindes zu gewährleisten und im Blick zu behalten.
Haben die Eltern persönliche Schwierigkeiten mit einander oder hat ein Elternteil ggf. Schwierigkeiten, sich selbst an die neue Lebenssituation anzupassen, müssen diese Anpassungsschwierigkeiten hinter dem Wohl des Kindes zurück stehen.
Es ist für die gesunde Entwicklung des Kindes unumgänglich notwendig, dass Eltern sich den Belangen und Interessen ihres Kindes die Trennung betreffend unterordnen.
Als direkte Folge der UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) wurde auch in Deutschland festgehalten, dass unter Anderem der Umgang des Kindes mit beiden Elternteilen von zentraler Bedeutung für das Wohl des Kindes ist. Ebenso ist es wichtig, dass beide Eltern einen klaren Fokus darauf halten, das Kind nicht in die Auseinandersetzung des Paares zu involvieren.
Leider ist dies nicht immer gewährleistet und manche Eltern erkennen leider während der Zeit der Anpassung nicht, was für das Kind notwendig ist und was besser unterlassen bleiben sollte. Als Ergebnis sieht man häufig Kinder, die einen Elternteile – und im schlimmsten Fall als Konsequenz beide Elternteile – ablehnen. Dies bedeutet immer auch, dass das Kind die eigenen inneren Anteile dieses Elternteils in sich selber ablehnt und dadurch nachhaltig, meist lebenslang, psychisch belastet wird.
Klare Eltern-Regeln, auf die sich Eltern einigen, können dabei unterstützen, das Wohl des Kindes zu gewährleisten und im Blick zu behalten.
1. Beide Eltern sind gleich wichtig für das Kind, es gibt keinen besseren oder schlechteren Elternteil, nur unterschiedliche.
Das Kind wird durch beide Elternteile ermutigt und unterstützt, beide Elternteile weiterhin als vollwertige Elternteile zu erleben und zu lieben. Dies sollte nicht ausschließlich ein “Lippenbekenntnis” sein. Kinder spüren “im Schlaf, durch die Wand” die wirklichen Motive und Intentionen ihrer Eltern. Daher ist es notwendig, dass sich Eltern verpflichten, die positive und liebevolle Beziehung des Kindes zum anderen Elternteil nicht nur zu tolerieren, sondernd als eigenen Verantwortungsbereich anzuerkennen.
2. Der Kontakt zu beiden Elternteilen wird von beiden Seiten gefördert und unterstützt. Umgänge sind “heilige Zeiten”, die eingehalten werden. Wenn beide Eltern sich einig sind, dass Umgänge nicht zur Diskussion stehen, wird das Kind von der Bürde entlastet, sich immer wieder für oder gegen den Kontakt und den Umgang mit einem Elternteil entscheiden zu müssen. Das Kind muss keine Gründe (er-)finden, warum es den Umgang wünscht oder nicht wünscht und trägt keine Verantwortung für den Kontakt und die Bindung.
3. Die Unterschiedlichkeit in Handlung, Denken und Fühlen der Eltern ist ein Gewinn für das Kind und kein Verlust. Verschiedene Erziehungsstile, Herangehensweisen, Lebensstiel etc. tragen dazu bei, dem Kind ein breiteres soziales, emotionales und rationales Erleben zu ermöglichen. Die Eltern einigen sich darauf, das Kind nicht durch die eigene negative Bewertung des anderen Elternteils und dessen Lebensweise zu beeinflussen oder zu beschweren, sondern die Möglichkeiten, die sich durch die Vielfalt im Leben des Kindes ergeben, wertzuschätzen.
4. Eltern sind für ihre eigene Neigung sowie Abneigung dem anderen Elternteil gegenüber voll verantwortlich und vermeiden es, diese Gefühle auf das Kind zu übertragen. Dem Kind wird ermöglicht und erlaubt, eine ganz eigenständige emotionale Bindung zum anderen Elternteil zu führen.
Erkennt ein Elternteil, dass große Abneigung dem anderen Elternteil gegenüber gefühlt wird, die Handlungen und den Umgang des anderen Elternteils mit dem Kind Argwohn, Misstrauen oder Ablehnung hervorrufen, dann ist dies ein Thema, das (ggf. mit externer Hilfe) ausschließlich zwischen den Eltern geklärt werden sollte.
5. Alle Kinder wünschen sich Eltern, die in der Trennung und Scheidung freundlich, konstruktiv und respektvoll miteinander umgehen.
Jede Form der Herabwürdigung, Abwertung, Beleidigung und Beschimpfung des anderen Elternteils kann von dem Kind internalisiert werden und führt dazu, dass es eigene Anteile abspalten und ablehnen muss. Die Vorbildfunktion beider Elternteile wird erfüllt wenn sie es schaffen, trotz Konflikte einen konstruktiven, freundlichen, respektvollen und wertschätzenden Umgang miteinander zu pflegen. Streit, Konflikt und Abwertung haben in Gegenwart und im Umgang mit dem Kind keinen Platz.
6. Die Kommunikation findet (direkt, telefonisch oder durch Sprachnachrichten) zwischen den Eltern statt. Kinder werden nicht als Boten missbraucht. Insbesondere nicht um Botschaften zu übermitteln, die den anderen Elternteil belasten könnten.
Kommunikation kann leicht missverständlich sein. Vor allem schriftliche Kommunikation birgt das Risiko falsch verstanden zu werden, da keine indirekten Kommunikationsparameter enthalten sind, die den Inhalt der Botschaft erklären könnten (Sprachduktus, Tonlage, Mimik, Gestik, Geruch fehlen beispielsweise). Um Missverständnisse zu reduzieren findet die Kommunikation zwischen den Elternteilen mündlich statt. Sollte dies zu weiteren Konflikten führen, sollten sich Eltern externe Unterstützung zur Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit holen.
7. Eltern fördern und fordern (nicht überfordern) ihre Kinder zu selbstständigem, gesundem Wachstum und Entwicklung auch außerhalb des eigenen Einflussbereichs. Wenn Eltern dies unterstützen und als selbstverständlich erachten, können Kinder in verschiedenen sozialen Systemen unterschiedliche Regeln problemlos respektieren und sich unterschiedlichsten Situationen anpassen. Dies fördert die Resilienz des Kindes und trägt zu einer gesunden Persönlichkeitsentwicklung bei.
8. Enttäuschung, Trauer oder Wut auf oder über die Zuneigung des Kindes gegenüber dem anderen Elternteil oder über die dort verbrachte Zeit stört nicht nur die Bindung des Kindes zum anderen Elternteil, sondern zu beiden.
Wenn Kinder sich auf die “tolle Zeit” mit dem anderen Elternteil freuen und diesen gerne sehen bedeutet dies nicht, dass sie den anderen Elternteil bevorzugen oder lieber bei ihm sind. Wenn beide Elternteile es schaffen, sich für und mit dem Kind über eine starke, freud- und liebevolle Bindung und verbrachte Zeit mit dem anderen Elternteil zu freuen, stärkt dies nachhaltig die Bindung zum beiden Elternteilen.
9. Persönliche Konflikte zwischen den Eltern werden nicht mit Kindern besprochen, sondern unter Erwachsenen geklärt.
Kinder verstehen die aller meisten Konfliktthemen der Eltern noch nicht und sind emotional und rational überfordert, wenn sie damit konfrontiert werden oder gar Position oder Stellung beziehen sollen. Der Inhalt der Botschaft wird von ihnen nicht verstanden, sondern nur der sozio-emotionale Anteil erkannt, der als direkte Belastung empfunden wird. Das Thema Geld ist beispielsweise extrem emotional aufgeladen und ist nicht – wie üblicherweise angenommen – rein rational. Wird behauptet, die Diskussion sei eine rein faktenbasierte rationale, schwingt in der Regel dennoch ein erheblicher emotionaler Anteil mit, der vom Kind überproportional stärker gehört und ggf. assimiliert wird. Eine faire Regelung der Finanzen den geltenden Gesetzen entsprechend sollte ggf. mit externer Unterstützung gefunden werden, an die sich beide Eltern halten. Der emotionale Aspekt muss von jedem Elternteil selber (ggf. ebenfalls mit professioneller Hilfe) zum Wohle des Kindes geklärt werden und darf nicht mit oder in Gegenwart des Kindes diskutiert werden, um eine erhebliche Belastung zu vermeiden.
Wenn eine gemeinsame Regelung durch die Eltern gefunden wurde, sollten beide Eltern diese auch gemeinsam mit dem Kind besprechen, um Schulterschluss und Einigkeit zu signalisieren.
10. Das erweiterte soziale Umfeld der Kinder hat bei beiden Eltern Platz und findet bei beiden Eltern respektvolle Wertschätzung.
Freunde, Bekannte und Familie spielen eine wesentliche Rolle bei der gesunden Entwicklung eines Kindes. Nicht umsonst gibt es das Sprichwort: “Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind groß zu ziehen.” Beide Eltern verpflichten sich, dem Kind die Bindung und den Kontakt zu allen Bezugspersonen auch im eigenen Einflussbereich zu ermöglichen.
11. Neue Partner werden erst mit dem Kind zusammengeführt, wenn die Beziehung gefestigt ist und werden als “Bonus-Eltern“ unterstützt und nicht als “Stiefeltern” durch den anderen Elternteil abgelehnt.
Das psycho-biologische Bindungssystem ist eines der stärksten und ältesten genetischen Systeme, das in erster Linie auf die Bindung des Kindes an die biologischen Eltern abzielt. Kommt es zu einer Störung dieses Bindungssystems haben wir es mit einer schwerwiegenden Störung zu tun. Im Umkehrschluss bedeutet dies, ein Kind wird nicht einen liebevollen, verfügbaren Elternteil “entlieben”, nur weil es einen zusätzlichen liebevollen und verfügbaren Ansprechpartner erhält. Liebe ist eines der wenigen “Güter”, die wachsen, je mehr man sie verschenkt. Für eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung des Kindes sind viele liebevolle erwachsene Ansprechpartner ein Gewinn, kein Verlust und alle Eltern tun gut daran, dies im Sinne ihrer Kinder zu fördern.
12. Eine gemeinsame Trennungs-Geschichte verschafft nicht nur dem Kind Kongruenz. Unser Gehirn ist immer bestrebt, Kongruenz (Deckungsgleichheit oder auch Übereinstimmung) zu erzielen. Können sich Eltern nicht auf eine gemeinsame Familien- und Trennungsgeschichte einigen erzeugt dies In-Kongruenz sowohl bei den Eltern, als auch bei dem Kind, die als ständige Belastung empfunden wird. Trennt man sich ohne eine solche Geschichte bleiben oft noch ungeklärte Paarthemen offen, die immer als Störer oder Trigger in der Eltern-Beziehung und damit auch in der Beziehung zum Kind erlebt werden. Um die Paarbeziehung der Eltern vollständig zu beenden und die neue Elternbeziehung zu ermöglichen, muss dieser Abschluss möglichst frühzeitig gefunden werden. Gelingt es den Eltern nicht, sollten sie sich zum eigenen, sowie zum Wohle des Kindes Unterstützung hierfür suchen.
Wir ____________________________ und ___________________________
einigen uns gemeinsam zum Wohl unser(e) Kind(er), diese Regeln einzuhalten und umzusetzen. Wir verpflichten uns, externe Hilfe in Anspruch zu nehmen, sollten wir Herausforderungen bei der Umsetzung einer Regel haben.
Carolyn Steen – Psychologische Lebensberatung, Coaching, Krisenintervention, Trennungs- und Scheidungsberatung – Im Mittelpunkt des Lebens