Konflikt-De-Eskalation als Weg zur Kontaktaufnahme nach Umgangsverweigerung
Die Veränderungsbereitschaft bei eskalierten Konflikten ist ausschlaggebend für eine Beziehung zwischen abgelehntem Elternteil und Kind.
Die Umgangsverweigerung eines Kindes nach Trennung und Scheidung ist ebenso wie die sogenannte Eltern-Kind-Entfremdung eine Folge von elterlichen Konflikten. Bei diesen Konflikten handelt es sich sowohl um innere Konflikte beider Eltern, als auch um äußere Konflikte miteinander und auch mit dem Kind.
Konflikt oder auch Streit entsteht, wenn die eigenen Bedürfnisse nicht befriedigt werden. Voraussetzung für die Konfliktbeilegung ist, dass wir uns unserer eigenen Bedürfnisse (Wünsche) bewusst sind und in erster Linie versuchen, sie uns selbst zu befriedigen (erfüllen).
Leider sind wir allerdings in den aller meisten Fällen von unseren Eltern und der Gesellschaft – je nach Charakter und Bewältigungsstrategie – dazu geformt worden, entweder unsere eigenen Bedürfnisse zu unterdrücken, hinten an zu stellen, oder aber manchmal sogar skrupellos gegen andere durchzusetzen und notfalls mit Manipulation oder Gewalt zu befriedigen.
“I have come to the conclusion that the greatest obstacle to getting what we really want in life is not the other party, as difficult as he or she can be. The biggest obstacle is actually ourselves.”
William Try
Was wir oft nicht verstehen und darum auf dysfunktionale Art ausleben: Bedürfnisse sind ein Imperativ und MÜSSEN insofern erfüllt werden, damit sie sich nicht in destruktiver Weise Ausdruck verschaffen.
Die wesentlichen Grundbedürfnisse, von denen wir aus unserem Limbischen System heraus gesteuert werden, sind das Bedürfnis nach Nähe (Distanz), nach Dominanz und nach Wachstum. Diese Grundbedürfnisse können dann in zahlreiche weitere Bedürfnisse hinein reichen.
Selbstverständlich bedeutet – wie gesagt – die Notwendigkeit der Bedürfnisbefriedigung nicht, dass ANDERE Menschen für die Erfüllung unserer Bedürfnisse zuständig gemacht werden sollten, oder wir sie skrupellos ausleben, sondern in erster Linie wir selber für unsere eigene Bedürfnisbefriedigung zuständig sind.
Beispielsweise ist es eine denkbar schlechte Idee, von einem anderen Menschen zu erwarten, mir Nähe und Liebe zu “schenken”, wenn ich selbst nicht einmal in der Lage bin, mich selbst zu mögen oder mit mir alleine sein zu können. Dann sehe ich im Partner, der Familie oder Freunden nur “Bedürfnis-Erfüllungs-Maschinen”. Leider ist aber den aller meisten von uns beigebracht worden, dass wir versuchen sollten die Bedürfnisbefriedigung im Außen, also bei anderen Menschen, zu suchen.
Da ist der Konflikt schon vorprogrammiert.
Es gibt verschiedene Formen von Konflikten und es kann hilfreich sein, diese zu unterscheiden:
1) Sachkonflikte
2) Beziehungskonflikte
3) Wahrnehmungskonflikte 4) Rollenkonflikte
5) Zielkonflikte
6) Verteilungskonflikte
Schon allein, wenn man sich dieses Unterteilung anschaut, wird sehr deutlich, dass im Fall einer Trennung und Scheidung mit Kindern ein sehr hohes Konfliktpotential besteht, da alle Konfliktformen angesprochen werden können.
Wenn Eltern dann nicht gelernt haben, Konflikte auf konstruktive und wertschätzende Art auszutragen, kommt es regelmäßig zu dem, was wir als Konflikt-Eskalation und Hochstrittigkeit kennen.
Wichtig bei der De-Eskalation von Konflikten ist es aus meiner Erfahrung, ein Grundverständnis von Konflikteskalationen zu haben, sich selber realistisch einschätzen zu lernen um dann zu erkennen, auf welcher Stufe der Konflikteskalation man sich befindet und auf welcher emotionalen Ebene man sich im Bezug auf den Konflikt einordnen kann.
Die Eskalationsstufen nach F. Glasl sehen wie folgt aus
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Verhärtung der Positionen (die gefühlsmäßige Verbundenheit mit dem Ex-Partner nimmt ab)
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Debatte / Streit (Verärgerung und Abneigung dem Ex-Partner gegenüber nimmt zu)
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Taten – es wird ohne Konsens gehandelt (Abwehr und Vertrauensentzug lösen Diskussionen und Austausch ab)
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Koalitionen mit Aussenstehenden werden gesucht (“ich bin richtig, du bist falsch – das sagt auch…!” – Vertrauen gibt es nicht mehr, man glaubt, sich schützen zu müssen, der Ex-Partner stellt eine Bedrohung dar – die ersten Schritte in die Dämonisierung des Ex-Partners werden gegangen)
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Gesichtsverlust des Ex-Partners wird nicht nur geduldet, sondern inzwischen aktiv gewünscht (Rache, Zorn, Rage und Wut gegen den anderen werden zu zentralen emotionalen Treibern)
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Drohstrategien und Dämonisierung (es wird mit allem gedroht, was zur Verfügung steht – meist finanzieller Ruin, Kontaktabbruch der Kinder, kompletter sozialer Ruin…. die Angst vor dem Ex-Partner treibt zu Vergeltungsstrategien, Hass, Wut, Angst und Misstrauen sind die einzigen verbleibenden Emotionen)
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begrenzte Vernichtung (erste Vergeltungsschläge werden ausgeführt – Scham und Schuldgefühle werden komplett unterdrückt, man glaubt sich selber im Recht, den anderen im Unrecht – oft wird von “toxischer” oder “narzisstischer Ex” gesprochen und alle positiven Anteile werden negiert, die gemeinsame – oft sehr schöne – Vergangenheit wird neu “geschrieben” und alles Schöne oder Gute verdrängt)
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Zerstörung (dem Ex-Partner soll auf jeden Fall geschadet werden, alle anderen Ziele müssen diesem Ziel unterstellt werden – Rache ist das Hauptanliegen, die zugrundeliegende Trauer und Angst können nicht mehr gefühlt werden)
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gemeinsam in den Abgrund (die eigene Vernichtung wird billigend in Kauf genommen, auch unschuldige und unbeteiligte Dritte werden nicht geschont – es kommt zu fatalistischen Ideen)
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Grundlegende Muster der Konfliktlösung stehen den Konfliktbeteiligten oft nicht zur Verfügung und der Stress und Druck, der durch den Streit ausgelöst wird, macht eine Veränderung quasi unmöglich.
Im ersten Schritt ist es daher aus meiner Erfahrung notwendig, beiden Elternteilen mitfühlend zu ermöglichen, den Stress des Konfliktes abzubauen und neue Stressoren zu reduzieren. Erst wenn die Eltern sich wieder entspannen können ist es überhaupt möglich, ihnen Methoden und Wege zu zeigen, den Konflikt beizulegen und in den Frieden zurück zu finden.
Dann ist es selbst bei hocheskalierten Eltern-Konflikten möglich, zurück zu Kompromissen und sogar auch Konsens zu finden. Es kann eine Win-Win-Lösung erzielt werden, in der beide Eltern bereit sind, die “Must-Haves” des anderen Elternteils nicht nur zu würdigen, sondern aktiv zu unterstützen und zu suchen.
Carolyn Steen – Psychologische Lebensberatung, Coaching, Krisenintervention, Trennungs- und Scheidungsberatung – Im Mittelpunkt des Lebens