Sind Trennung und Scheidung schon bei der Geburt des Kindes manchmal vorhersehbar?
Aus eins mach zwei mach drei – ein Beziehungsdreieck entsteht und aus dem Paar wird eine Familie – aber was wird dann aus dem Paar?
Wir kennen es sehr gut: ein glückliches Paar bekommt Nachwuchs! Alle sind (hoffentlich) unglaublich glücklich und freuen sich auf das Baby. Die Mutter und der Vater sind in dieser Phase noch inniger verbunden – fast als wären sie wieder in den Flitterwochen. Das Baby im Bauch der Mutter ist ein Versprechen auf eine schöne Zukunft. Babybetten werden gekauft, Windeln in die Kommode gelegt, Spucktücher vorgewaschen und Geburtsanzeigen schon vorsorglich ausgewählt.
Dann kommt der große Tag. Die Geburt. Mal schwer, mal einfach für Mutter und Kind. Ein kleines Wunder liegt da verknautscht und oft noch blutig auf dem noch dicken Bauch der Mutter. In diesem Moment verändert sich etwas. Hier sind nicht mehr Mann und Frau beieinander, sondern auch Vater, Mutter und Kind. Das Paar, dass sich vorher gegenseitig im Blick hatte, sich gesehen hat, wendet den Blick auf dieses neue Wunder. Zählt die Finger, bestaunt die Füße, erkennt sich selber, den Partner, die Mutter, Schwiegermutter, den Opa oder Onkel in dem Kind. Man ist fasziniert.
„Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach da zu sitzen und vor sich hin zu schauen.“ Astrid Lindgren
Und das Baby braucht die Eltern. Es braucht die volle Aufmerksamkeit, insbesondere die der Mutter. Es ist für die gesunde emotionale und körperliche Entwicklung eines Kindes lebensnotwendig, dass die Eltern es im Blick haben.
Doch was passiert, wenn wir unseren Blick fast bis zur Ausschließlichkeit aus überwältigter Faszination und Liebe nur auf unser Kind richten? Vielleicht sogar beide Elternteile?
Mit großem Erstaunen habe ich immer wieder Eltern gesehen, die ihr erst geborenes Kind gemeinsam gewickelt haben. Einer hat die Windel gewechselt, der andere das Kind bespielt. Sie haben sich ausschließlich über das Kind unterhalten oder über Themen, die für das Kind relevant waren. Sie haben in dem Partner plötzlich nicht mehr den Partner, sondern den Vater, die Mutter des Kindes gesehen.
Das Paar? Es hatte sich quasi in der Elternschaft aufgelöst.
Das Kind? Es steht oft völlig im Fokus, sozusagen in der Mitte des Aufmerksamkeits-Kreises. Doch: wer im Kreis steht ist nicht Teil des Gruppe, sondern kann nur allzu leicht als Projektionsfläche der Bedürfnisse, Ängste und Hoffnungen dienen. Dies ist für spätere Paarkonflikte ein schlechtes Omen.
Die Bedürfnisse insbesondere kleiner Kinder lassen sich nicht verschieben, sondern sie sind stets da und müssen hier und jetzt befriedigt werden. Hobbys, Freizeit, gemeinsame Aktivitäten als Paar bleiben da meist auf der Strecke. Und obwohl die Veränderung – der Nachwuchs – eigentlich ein positives Ereignis war ist jede Veränderung per se mit Stress verbunden und Stress in einer Paarbeziehung bedeutet, dass die Beziehung eher mehr denn weniger Aufmerksamkeit benötigt.
Das ist keine gute Voraussetzung, um in neue Aufgaben hineinzuwachsen und entstehende Probleme zu diskutieren und zu lösen.
Hinzu kommt, dass Kinder nicht nur sehr viel Aufmerksamkeit brauchen und Arbeit machen, sondern sie kosten auch sehr viel. In der Regel erkennt man spätestens während der Schwangerschaft, wenn man die ganzen Anschaffungen für das Baby tätigt, dass man eine ganze Menge Geld in Kinderwagen, Krippen und Erstlingsausstattung versenken kann, selbst wenn man gebrauchte Gegenstände erwirbt.
Zusätzlich sind nur nur in ca. 8 % aller Haushalte mit kleinen Kindern beide Elternteile vollzeiterwerbstätig. Oft lastet spätestens nach der Geburt des zweiten Kindes die finanzielle Verantwortung auf einem Elternteil, während der andere versucht, die anfallende Arbeit mit den Kindern zu stemmen. Selbst mit Überstunden und Karrierschritten kann der Verdienstausfall des einen Elternteils meist nicht abgefangen werden.
Leider passiert es nicht selten, dass schon in dieser Phase das Ende der Paarbeziehung beginnt und sich tradierte Rollen schon für die Trennungszeit abzeichnen.
Was wäre denn nun notwendig, um bereits in dieser Phase die Partnerschaft im Blick zu behalten und Rollenbilder nicht stereotyp nach zu leben? Viele Experten empfehlen gemeinsame Auszeiten vom Kind miteinander zu nehmen, in denen gemeinsame Hobbys oder Vorlieben im Vordergrund stehen. Bestenfalls sollte während dieser Zeit weder über das Kind, häusliche Probleme oder Arbeit gesprochen werden. Stattdessen kann man wöchentlich einen festen “Termin” vereinbaren, an dem genau diese Dinge konstruktiv kritisch besprochen und bei Problemen nach Lösungen gesucht werden kann.
Ich bin neugierig. Wie hast du die ersten Monate mit dem Vater oder der Mutter deines ersten Kindes erlebt? Ich bin gespannt auf deine Antwort.
Carolyn Steen – Psychologische Lebensberatung, Coaching, Krisenintervention, Trennungs- und Scheidungsberatung – Im Mittelpunkt des Lebens